04.04.2017 - 16.06.2017
bäckerstraße4, Wien
DOPPELGÄNGER nennt Benjamin Eichhorn seine erste Einzelausstellung in der baeckerstrasse4. Ein medienreflexiver Titel, der auf die doppelte – und durchaus auch ambivalente – Rolle der Fotografie anspielt: Einerseits ist sie eine Doppelgängerin der Wirklichkeit, eine Verdoppelung derselben. Andererseits ist die Fotografie imstande, wie auch in der Ausstellung ersichtlich wird, eigene Wirklichkeiten aus sich selbst heraus zu produzieren und Bilder zu erzeugen, die dem menschlichen Auge bis dato verwehrt geblieben sind.
„Ich bin verliebt in Bilder“, sagt Benjamin Eichhorn, der sich in seiner künstlerischen Arbeit mit Leichtigkeit zwischen den klassischen Disziplinen bewegt: Fotografie, Bildhauerei, auch Malerei, alles scheint in diesen großformatigen, perfekt ausgeleuchteten und bis ins kleinste Detail erfassenden Pigmentdrucken mitzuschwingen. Eichhorns Bildsprache ist von einer cleanen Strenge gekennzeichnet. Objekt und Kamera bzw. Blickwinkel verhalten sich immer parallel zueinander. Sorgfältig arrangierte, sortierte, archivierte, präparierte oder auch verhüllte „Dinge“ sind die Bildinhalte: (Kunst)Blumen, Werkzeug, Stroh, Vögel. Benjamin Eichhorn hat ein Bild im Kopf und besorgt sich dann den Inhalt bzw. kümmert sich akribisch um den Bildaufbau. Die „Dinge“, die hier inszeniert werden, werden durch mehr oder weniger subtile Eingriffe verfremdet und so um ihre Alltäglichkeit gebracht. Eines der Mittel, die zur Verfremdung taugen, ist der Einsatz von mit zierlichen Blumenranken gemusterten Stoffen. Mit Stoffen werden entweder ganze Raumsituationen geschaffen, wie in Ohne Titel, 2016: Das Textil fungiert hier in einem All-over als Tapete und Tischtusch gleichermaßen. Benjamin Eichhorn überzieht seine Objekte – Vasen, Werkzeug oder Möbelstücke – aber auch mit diesen Stoffen, was gewissermaßen zum eindeutigen „Erkennungsmerkmal“ seiner rezenteren künstlerischen Arbeit geworden ist. Das tatsächliche, verpackte Objekt hat in seiner Dreidimensionalität dabei den gleichen Stellenwert wie die fotografische Aufnahme, in der die Räumlichkeit zurück in die 2D-Fläche gepresst wird. Das Ornament des Stoffes offenbart Wiederholung und Rhythmik und produziert eine Monotonie, macht Oberflächen, die aus Eisen, Keramik und Holz sind, „gleich“. Neben diesem formalen Aspekt verursacht der Einsatz des Stoffes aber auch eine entscheidende Veränderung in Hinblick auf den Gebrauchswert: Die „Dinge“ werden ihrer Funktion beraubt. Beile schneiden nicht mehr, Zangen sind nicht mehr zu öffnen, Hämmer entwickeln keine Schlagkraft mehr. Der Prozess des Einnähens ist dabei ein fast meditativer Akt. Die jüngsten, sich in den Raum öffnenden Stoff-Arbeiten hingegen bringen auch eine menschliche, schwarzhumorige Komponente ins Spiel: Eine an der Wand schwebende Kommode, eine Hose auf einem Kleiderbügel, ein Hammer: ein (Krypto)Portrait ihres Besitzers? Die Wege, die Benjamin Eichhorn hin zu seinen Bildlösungen beschreitet, sind oft langwierig: Für HINGEHAUFT, 2008–10 etwa hat der Künstler über 2 Jahre hinweg ca. 3.500 Strohhalme einzeln fotografiert und für das finale Bild alle Aufnahmen in Leserichtung aneinandergereiht. Was auf den ersten Blick vielleicht an eine computergenerierte Grafik denken lässt, ist in Wirklichkeit ein Haufen Stroh, der entwirrt wurde und der in dieser Detailtreue bzw. aus diesem Blickwinkel einen einzigartigen Seheindruck gewährt. Die Nadel im Stroh – Benjamin Eichhorn würde sie finden. Es ist diese Genauigkeit und Langatmigkeit, in der sich Benjamin Eichhorns Einflüsse offenbaren, die eindeutig in der deutschen Becher-Schule, die ja gerade für ihre Heterogenität bekannt ist, auszumachen sind. Das typologisch, scheinbar stark naturwissenschaftlich geprägte Interesse, das Bernd und Hilla Becher propagierten, korreliert mit technischer Perfektion und Brillanz, wie man sie von Becher-Schülern wie Andreas Gursky, Candida Höfer oder Thomas Struth kennt. „Frühlingsgefühle“ stellen sich beim Betrachten dieser Arbeiten dennoch nicht ein. Chlorophyl, Gefieder, textile und kunstseidene Blüten führt Benjamin Eichhorn wie einen Pinsel, entledigt sie jedoch davor jedes Lebenszeichens: Die Vögel sind (qualitativ elaboriert gemachte) Tierpräparate, die Blumen aus Plastik, wenn echte Blumen auftreten, wie im Fall von Fensterbanktryptichon, 2016, sind diese dekonstruiert und in eine sakrale, an einen Altar erinnernde, Form gebracht. Getrimmt, gewinkelt, sortiert und verhüllt, erinnern Eichhorns Sujets an eine von Effizienzgedanken und Strukturierung durchwirkte Welt, demaskieren Klein- und Spießbürgerlichkeit, und schicken Dinge des täglichen Gebrauchs in ein Koma, das sich einem Ästhetizismus unterordnet. Benjamin Eichhorns abgründige Bildwelten gerieren sich als süßliche Verharmlosungen, die nur so tun, als ob, jedoch Kritik an Behübschung und Verniedlichung üben. Bei der Betrachterin oder dem Betrachter wird ein Lächeln hervorrufen, das im selben Moment gefriert. Und auch wenn die „Dinge“, die in diesen Fotografien in Szene gesetzt werden, allesamt auf den Menschen verweisen, so bleibt dieser doch gänzlich ausgespart. Das Genre Stillleben holt Benjamin Eichhorn mit seinen doppeldeutigen Interventionen, die immer um Vanitas, die Vergänglichkeit, und Memento Mori, das Eingedenken des Todes, kreisen, so aus dem Staub des 16. Jahrhunderts direkt ins Jahr 2017.Lisa Ortner-Kreil
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15.11.2014 - 29.11.2014
Offspace Spenglerei, Kranzgasse 24, 1150 Wien
"Fotografien vermitteln nicht einfach - auf eine realistische Weise - Realität. Die Realität wird vielmehr danach befragt und bewertet, inwieweit sie, der Fotografie entspricht". Mit dieser Aussage weist die Schriftstellerin Susan Sontag auf eines der Hauptparadoxa der Fotografie hin. In den minimalistischen Arbeiten von Benjamin Eichhorn begegnet einem dieser Wiederspruch auf verschiedenen Ebenen, indem er Alltagsgegenstände und -räume konzeptuell und fotografisch umwandelt. In seiner Serie "Juliette's Garden" beginnt die Veränderung bereits mit dem sorgfältigen Nähen und Überziehen der Gegenstände - Werkzeuge - mit einem Stoff mit Blumenmuster. Die einzelnen Objekte werden der Reihe nach fotografiert und nach einem bestimmten Schema zusammengestellt, welches teilweise auch die Geometrie des Stoffmusters wiederholt. Eichhorns modernes Stillleben folgt im Gegensatz zu klassischen Darstellungen des Genres einer puristischen Ordnung, die einen eigenen Rythmus erzeugt. Durch die vergrößerte Darstellung der Motive ersetzt er ihre ursprüngliche Bestimmung. Das schwere und scharfe Werkzeug gewinnt durch seine ungewöhnliche Größe und den lieblichen Stoff an Leichtigkeit und erhält einen harmlosen Charakter.
Allein dieser systematische künstlerische Prozess und der Rythmus der Bildsprache weisen auf die seriell angefertigte Ware hin, mit der sich Benjamin Eichhorn auseinandersetzt. So werden in der Arbeit "In Deckung II" nicht nur Objekte, sondern der gesamte Raum mit dieser Art von Massenware bedeckt. Auch wenn hier die weiße Hintergrundfläche des Bildes durch die Tapete komplett ersetzt wird, sind doch einige Elemente frei von dem überwältigenden Ornament. Dabei bleiben diese durch die bewusste Unschärfe raffiniert unfassbar. Die Anhaltspunkte im Bild verschwinden und mehrere Horizontlinien werden verteilt, so dass eine Konfrontation mit der Zweidimensionalität der Fotografie entsteht.
Der Raum in Benjamin Eichhorns Arbeiten ist nur angedeutet - durch das (flache) Medium der Fotografie, aber auch durch die ebene Darstellung der Objekte und Räume. Die komplexen Zusammenhänge in seinen Werken repräsentieren das Bedürfnis aus dem Alltäglichen ein Unikat zu machen, einen Fetisch mit eigener Symbolik, der eine Distanzierung von der Realität ermöglicht. Durch die Umhüllung wird einiges sichtbar - wieder ein Paradox -, was Benjamin Eichhorn mit subtiler Einfachheit darstellt.
Text: Elisa Garzón Vecino
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Fotos: Rudolf Strobl
Fine Art Collection
Einzelausstellung
16.01.2014 - 31.03.2014
Sotheby´s, Wien
Das eigene Heim und dessen Ausgestaltung sind oft verbunden mit einer Sehnsucht nach Stabilität, Vertrautheit, aber auch Ausdruck von gewollter Repräsentation und dem Versuch einer gesellschaftlichen Positionierung. Rituelle Handlungen, Gegenstände, wie das gute Geschirr zum Sonntagsessen, das geblümte Kaffeeservice aus Porzellan oder die Kopie von Fine Art Sammlerstücken sind Sinnbilder einer gesellschaftlichen Aussage und dem Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit.
Der 1982 in Waidhofen/Thaya geborene Benjamin Eichhorn untersucht in seinen Arbeiten diese stereotypen Rituale und Objekte aus dem alltäglichen häuslichen Leben.
Durch die technischen und konzeptuellen Mittel der Fotografie und die für den Künstler charakteristische minimalistische Bildsprache stellt er nicht nur die Gegenstände und Handlungen des privaten Alltags in den Mittelpunkt, sondern legt auch ihren Anachronismus offen(...)
Dr. Silvie Aigner
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In Deckung
Einzelausstellung
18.01.2012 - 25.01.2012
Universität für angewandte Kunst Wien
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Fotos: Jorit Aust